Eine neue Studie zum Nahrungsspektrum Quelle: https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2025.178978
Die Asiatische Hornisse (Vespa velutina) ist eine invasive Art, die sich seit etwa zwei Jahrzehnten in Europa ausbreitet. Ursprünglich aus Südostasien stammend, wurde sie vermutlich durch den internationalen Warenverkehr nach Frankreich eingeschleppt und hat sich seitdem in mehreren Ländern etabliert. Aufgrund ihres flexiblen Nahrungsspektrums stellt sie eine potenzielle Bedrohung für heimische Insektenpopulationen dar, insbesondere für Honigbienen. Eine aktuelle Studie, die im Fachjournal Science of the Total Environment veröffentlicht wurde, untersucht erstmals detailliert die Ernährung der Asiatischen Hornisse und beleuchtet deren Auswirkungen auf die europäischen Ökosysteme.
Die Untersuchungsmethode
Um ein umfassendes Verständnis des Nahrungsspektrums der Asiatischen Hornisse zu gewinnen, analysierte ein Team von Wissenschaftlern der Universität Exeter den Verdauungstrakt von Hornissen, die aus verschiedenen Regionen Europas gesammelt wurden, darunter Frankreich, Spanien, das Vereinigte Königreich und Jersey. Die Forscher verwendeten modernste DNA-Metabarcoding-Techniken, um die genetischen Spuren der Beutetiere in den Mageninhalten der Hornissen zu identifizieren.
Durch diesen Ansatz konnten die Wissenschaftler eine präzise und umfangreiche Liste der Beutetiere erstellen, die weit über das hinausgeht, was durch direkte Beobachtungen am Nest oder Jagdverhalten feststellbar wäre. Besonders vorteilhaft war diese Methode, da sie auch kleinste Beutereste erfasste und so ein besonders detailliertes Bild des Jagdverhaltens der Asiatischen Hornisse ermöglichte.

Die Ergebnisse: Ein breit gefächertes Nahrungsspektrum
Die Studie identifizierte DNA-Spuren von mehr als 1.400 verschiedenen Insektenarten im Verdauungstrakt der Hornissen. Dies verdeutlicht, dass sich Vespa velutina nicht auf eine bestimmte Beute spezialisiert hat, sondern ein extrem flexibles Jagdverhalten zeigt. Die Forscher stellten fest, dass das Nahrungsspektrum der Hornisse sowohl in Bezug auf die Vielfalt der Beutetiere als auch auf ihre Anpassung an unterschiedliche Lebensräume bemerkenswert ist.
Die Analyse ergab, dass die bevorzugten Beutetiere unter anderem folgende Gruppen umfassen:
- Honigbienen (Apis mellifera), die einen signifikanten Teil der Nahrung ausmachen und häufig an Bienenstöcken gejagt werden.
- Andere Hautflügler wie Wespen und Hummeln, die ebenfalls in großen Mengen konsumiert werden.
- Fliegen, Käfer, Schmetterlinge und Motten, die ein breites Spektrum an Beuteinsekten darstellen.
- Spinnen, die als unerwartet häufige Beuteart nachgewiesen wurden.
Besonders bemerkenswert ist, dass die Zusammensetzung der Beute regional und saisonal variiert. Die Untersuchung zeigte, dass in städtischen Gebieten Fliegen und Wespen einen großen Teil der Nahrung ausmachen, während in ländlichen Regionen verstärkt Honigbienen gejagt werden. Dies unterstreicht die Fähigkeit der Asiatischen Hornisse, ihr Beutespektrum je nach Verfügbarkeit der Insekten flexibel anzupassen. Die Forscher fanden zudem Hinweise darauf, dass sich das Jagdverhalten der Hornissen im Verlauf des Jahres verändert: Während in den Frühjahrs- und Sommermonaten Hautflügler besonders häufig konsumiert wurden, war die Beutezusammensetzung im Herbst vielfältiger, was möglicherweise mit der abnehmenden Verfügbarkeit von Bienen und Wespen zusammenhängt.
Diskussion: Die Bedrohung für ökologische Gleichgewichte
Die Studie zeigt deutlich, dass die Asiatische Hornisse eine potenziell schädliche Wirkung auf heimische Insektenpopulationen hat. Besonders bedenklich ist der hohe Anteil an Honigbienen in ihrer Nahrung, da diese eine entscheidende Rolle in der Bestäubung vieler Nutz- und Wildpflanzen spielen. Die Jagdstrategie der Hornisse, bei der sie gezielt vor Bienenstöcken lauert und Arbeiterinnen abfängt, kann Honigbienenkolonien erheblich schwächen.
Neben den Bienen sind auch andere Bestäuber wie Hummeln betroffen. Die Studie zeigt, dass Vespa velutina in verschiedenen Gebieten in großem Umfang auf Hummeln Jagd macht, was langfristig das ökologische Gleichgewicht weiter destabilisieren könnte. Bestäuber spielen eine zentrale Rolle im Ökosystem, und ein starker Rückgang dieser Insektengruppen könnte weitreichende Folgen für die Landwirtschaft und die Artenvielfalt haben.
Darüber hinaus könnte das Jagdverhalten der Hornisse das gesamte ökologische Gleichgewicht durcheinanderbringen. Die Reduktion bestimmter Insektenarten könnte sich nicht nur auf andere Prädatoren wie Vögel oder Spinnen auswirken, sondern auch auf die Pflanzenwelt, die auf Bestäubung angewiesen ist. Die Studie weist darauf hin, dass das Fehlen von langfristigen Daten zur Interaktion zwischen Vespa velutina und heimischen Insektenpopulationen eine der größten Herausforderungen für das Verständnis der langfristigen Auswirkungen darstellt.
Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis der Studie ist, dass die Asiatische Hornisse in städtischen und ländlichen Gebieten gleichermaßen gut zurechtkommt. Während invasive Arten häufig an bestimmte Umweltbedingungen angepasst sind, zeigt Vespa velutina eine beispiellose Flexibilität. Dies könnte erklären, warum sich die Hornisse in Europa so rasant ausbreitet und in so vielen verschiedenen Habitaten etabliert hat.
Fazit
Die Studie bietet einen tiefgehenden Einblick in das Nahrungsspektrum der Asiatischen Hornisse und deren Auswirkungen auf europäische Ökosysteme. Die Ergebnisse zeigen, dass Vespa velutina eine extrem anpassungsfähige und opportunistische Jägerin ist, die eine Vielzahl von Insektenarten erbeutet. Besonders alarmierend ist der hohe Anteil an Honigbienen und anderen Bestäubern in ihrer Ernährung, was erhebliche Konsequenzen für das ökologische Gleichgewicht haben könnte. Dennoch könnte das breite Beutespektrum der Hornisse in gewisser Weise zu einer Streuung der Jagdlast beitragen und somit möglicherweise abmildernde Effekte auf einzelne Insektenpopulationen haben. Um diese Hypothese zu überprüfen, sind jedoch weitere Forschungen erforderlich.
Entdecke mehr von Projekt VELUTINA
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.
No responses yet